Östrogene im Trinkwasser?

In den Sozialen Medien macht die Warnung vor Hormonen im deutschen Leitungswasser die Runde. Was, außer unnötiger Panikmache, steckt dahinter? Und wie gut ist das Trinkwasser in Österreich?

Die Wasservorräte auf der Erde befinden sich in einem permanenten Kreislauf, in dessen natürlichen Ablauf wir Menschen durch unser Nutzungsverhalten massiv eingreifen. Deshalb kann man die Themen Trinkwasser und Abwasser nicht voneinander trennen. Beginnen wir am Ende des Zyklus.

Abwassermonitoring: Systematische Überwachung

Die Corona-Pandemie hat den Begriff Abwassermonitoring ins öffentliche Bewusstsein gespült, also die systematische Überwachung dessen, was über die Kanalsysteme in die Kläranlagen fließt. Konkret sind es 48 über Österreich verteilte Standorte, an denen regelmäßig Wasserproben gezogen und auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2-Viren untersucht werden. Diese gelangen ins Wasser, indem sie von erkrankten Personen ausgeschieden werden. Je höher die Virenkonzentration, desto höher die Anzahl der Infizierten im Einzugsgebiet der Kläranlage.

Hormone aus Anti-Baby-Pillen

Viren sind nicht das Einzige, das auf diese Weise über die Abflussrohre im Abwasser landet. Dank einiger Influencer:innen aus Deutschland sorgt das Thema Östrogene momentan für Aufsehen in den Sozialen Medien. Sprich: die weiblichen Sexualhormone (die in geringen Mengen auch vom männlichen Körper gebildet werden). Konkret geht es um künstlich hergestellte Östrogene, die Bestandteile der meisten Anti-Baby-Pillen sind. Eine unkontrollierte Östrogenaufnahme kann bei Frauen wie Männern den Hormonhaushalt stören. Gerne wird der „Männerbusen“ als Schreckgespenst an die Wand gemalt.

Aufbereitung in der Kläranlage

Allerdings sprechen wir hier vom nicht aufbereiteten Abwasser, das bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Kläranlage behandelt wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand freiwillig davon trinken würde. In die Flüsse und Seen gelangt dieses Wasser erst nach einer mehrfachen mechanischen, biologischen und chemischen Reinigung. Mehr zur Funktionsweise einer Kläranlage finden Sie zum Beispiel auf der Website des Landwirtschaftsministeriums.

Man kann zwar nicht ausschließen, dass sich auch im geklärten Wasser weiterhin Hormonreste befinden (nicht nur aus der Pille, sondern auch Weichmacher oder Bisphenol A – kurz: BPA – sind nachweisbar und hormonell wirksam; mehr zum Thema finden Sie in unserem VKI-Blog im Beitrag „BPA-frei leben – geht das wirklich?“), doch ist es in diesem Zustand ebenfalls nicht zum Kochen und Trinken bestimmt. Allfällige Auswirkungen auf die Tierwelt (speziell die Fische, bei denen eine „Verweiblichung“ der Männchen nachweisbar ist) beschäftigen die Wissenschaft freilich schon seit den 90er Jahren.

Woher stammt das österreichische Trinkwasser?

Jedenfalls haben wir einen Punkt erreicht, an dem wir klar auf die Unterschiede zwischen Österreich und unserem Nachbarland hinweisen müssen, nachdem die Influencer:innen es nicht tun: In Teilen Deutschlands wird das Trinkwasser aus aufbereitetem Oberflächenwasser gewonnen – insgesamt rund ein Drittel der gesamten Trinkwassermenge des Landes. Zur Qualität dieses Wassers können wir keine Aussagen treffen.

Bei uns stammt das Leitungswasser (und, nebenbei bemerkt, auch das in Flaschen abgefüllte Mineralwasser) überwiegend aus Quellen oder Brunnen, die in tiefergelegene Grundwasserschichten reichen. Lange bevor es von den Wasserversorgern in Speichern gesammelt und an die Haushalte weiterverteilt wird, wurde das Wasser auf seinem Weg durch die Gesteinsschichten auf natürliche Weise gefiltert.

Wie wird Trinkwasser aufbereitet?

In den meisten Fällen hat das Wasser bereits zu diesem Zeitpunkt jene Qualität, die in der EU-Trinkwasserrichtlinie und dem österreichischen Lebensmittelbuch festgeschrieben ist. Falls nicht, darf der Wasserversorger bewährte Methoden wie Chlorung, Ozonbehandlung oder UV-Bestrahlung einsetzen, um unerwünschte Inhaltsstoffe zu beseitigen. Auch die Kalkreduktion oder die Korrektur des PH-Wertes sind erlaubt. 

Wer kontrolliert das Trinkwasser?

Fest steht: Kaum ein anderes Lebensmittel wird so streng und regelmäßig überprüft wie unser Trinkwasser. Einerseits haben die Versorger eine Prüf- und Informationspflicht (z. B. Homepage, Wasserrechnung, Gemeindezeitung), andererseits sind in regelmäßigen Abständen amtliche Kontrollen vorgesehen. Weitere Informationen finden Sie unter trinkwasserinfo.at und unsertrinkwasser.at.

Im April 2019 gab es eine Schwerpunktaktion der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), bei der bundesweit 259 Trinkwasserproben entnommen und unter anderem auf hormonell wirksame Substanzen hin untersucht wurden. Dabei konnten in keiner einzigen Probe BPA oder Östrogene bestimmt werden, und auch insgesamt gab es keine Auffälligkeiten.

Österreichs Trinkwasser ist sicher

Das Fazit ist eindeutig: Leitungswasser, das von den österreichischen Wasserversorgern bereitgestellt wird, kann unbedenklich genossen werden. Spekulationen über Östrogene und Männerbusen sind reines Clickbaiting, um im Internet mehr Aufmerksamkeit zu erreichen – und unterm Strich verantwortungslos.

Hinweis: Der Artikel wurde freundlicher Weise vom VKI – Verein für Konsumenteninformation – kostenlos zur Verfügung gestellt und ist im KONSUMENT, Ausgabe 03/2024, Seite 34/35 erschienen. Online finden Sie den Artikel auch auf konsument.at.

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Online: 29.02.2024,  10:45 Uhr,  ÖVGW/amschl
Fotos: ©AdobeStock

 

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